Erbrecht in Spanien
Keine Erbschaft ohne Steuerzahlung
Ferner ist das spanische Erbrecht viel enger mit dem spanischen Erbschaftsteuerrecht verzahnt, als man das aus anderen Rechtsordnungen kennt: Solange die geschuldete Erbschaftsteuer nicht bezahlt ist, sind Verfügungen über Erbschaftsgegenstände nicht nur bei Buße verboten, sondern schlicht unwirksam. Der Erwerber eines Grundstücks von Todes kommt weder ins Grundbuch noch kann jemanden anders als Grundstückserwerber aus einem Kauf ins Grundbuch eingetragen werden, ehe seine steuerlichen Angelegenheiten nicht zur Zufriedenheit der spanischen Behörden geklärt sind.
Hinzu kommt, dass die spanischen Teilsrechtsordnungen sich in erbrechtlicher und steuerrechtlicher Hinsicht ganz erheblich unterscheiden. Der Einsatz gezielter Strategien, eine ausländische Rechtsordnung oder die Rechtsordnung einer bestimmten Region zur Anwendung zu bringen, ist nicht nur möglich, sondern geradezu geboten.
Pablo Picasso – Ein prominentes Beispiel
Fehler können sich hier bitter rächen. Das bekannteste Fallbeispiel eines verkorksten spanischen Erbfalls mit Auslandsbezug ist insoweit der bekannteste Spanier überhaupt und reichste Künstler aller Zeiten: Pablo Picasso, am 25. Oktober 1881 in Málaga (Autonome Region Andalusien, Spanien) geboren und am 8. April 1973 in Mougins (Département Alpes-Maritimes, Frankreich) verstorben. Picasso erwarb von seinem Vater José und seiner Mutter Maria zunächst die andalusische Landeszugehörigkeit. Nach dieser richtet sich grundsätzlich auch das anwendbare Erbrecht eines Spaniers. Als er zehn war, zog die Familie nach La Coruña in Galicien um, wo eine andere Erbrechtsordnung gilt, aber Pablo nahm sein Herkunftsrecht mit. Doch als Pablo vierzehn wurde, zog die Familie mit ihm nach Barcelona, der Hauptstadt Kataloniens.
Hier bestand er die Aufnahmeprüfung zur Kunstakademie und pendelte nun zwischen Barcelona und Madrid, wo er ein Studium begann und wieder abbrach. Ein Spanier erwirbt nach zehn Jahren ununterbrochener Niederlassung in einer Provinz deren Gebietszugehörigkeit, wenn er nicht den Behörden gegenüber etwas anderes ausdrücklich und förmlich erklärt. Nach Auffassung einiger seiner Biographen (und einiger Rechtsanwälte seiner Hinterbliebenen) malte Picasso mehr als zehn Jahre in Barcelona, wurde dadurch vom Andalusier (mit der Folge der Geltung gemeinspanischen Erbrechts) zum Katalanen (mit einer eigenen provinziellen Erbrechtsordnung), ohne sich dessen Zeit seines Lebens je bewusst zu werden. Andere verweisen auf die Unterbrechungen seines Barcelona-Aufenthaltes durch die Madrid-Aufenthalte und sehen ihn zeitlebens als Andalusier, denn bald darauf geht der junge Künstler nach Paris. Durch einen Wohnsitzwechsel ins Ausland wird die Zugehörigkeit zu einem spanischen Bundesland aber nicht abgeändert.
Picasso sammelte indes nicht nur Preise und Anerkennungen, eigene und fremde Kunstwerke, Villen und zuletzt Schlösser, sondern auch Frauen und Sprösslinge. Mit Olga hat er seinen Sohn Paulo, mit Marie-Therese die Tochter Maya, mit Françoise den Sohn Claude und die Tochter Paloma. Zuletzt heiratet er Jacqueline, die Ehe bleibt kinderlos. Als Picasso am 8. April 1973 im Alter von 91 Jahren stirbt, hinterlässt er nicht nur ein menschliches Trümmerfeld (Paulo stirbt kurz nach seinem Vater als Trinker, Olga stirbt lange vor ihrem Exmann an Krebs, Jacqueline erschießt sich einige Jahre nach dem Tod ihrer Mannes), sondern auch ein erbrechtliches Chaos:
Die dringende Empfehlung seines Rechtsanwaltes, ein Testament zu machen, hat er stets abgelehnt. Viele Fragen bleiben offen. 1.300 Skulpturen, 2.000 Gemälde, 12.000 Skizzen und zahlreiche Villen und Schlösser wollen unterdessen verteilt sein. Der Erbschaftsstreit artet zu einem vier Jahre dauernden spanischen Erbfolgekrieg aus, bei dem von einem ca. 500 Millionen Dollar betragenden Nachlass mehr als 25 Millionen Dollar für die Kosten der Rechtsanwälte aufgewendet werden. Nimmt man den Anstieg des Goldpreises von 1973 bis 2016 von 100 auf 1.200 Dollar je Feinunze als Anhaltspunkt für die reale Dollar-Inflation, so wurden nach heutigem Geld 300 Millionen Dollar unnötige Anwaltskosten ausgelöst – durch eine unzureichende Nachlassplanung, die auch ein Milliardärsvermögen wie das von Picasso nachhaltig beeinträchtigen kann.
Experten bringen Ordnung ins Chaos
Aus der vorstehenden Einführung und dem vorgestellten Fallbeispiel erschließt sich mühelos, dass eine transnationale Erbschaft mit Spanienbezug eine schwierige und anspruchsvolle juristische Angelegenheit ist, die man nur in die Hände ausgewiesener Experten legen sollte.
Dieser Rat setzt sich fort, wenn man vom Erbrecht zum Erbschaftsteuerrecht übergeht: Einen Großteil des Erbes von Picasso hat die Republik Frankreich angetreten, weil Picasso dort verstarb und der Staat im Wege exorbitanter Erbschaftsteuer den größten „Kunstraub“ aller Zeiten (das Finanzamt ließ sich in Skulpturen und Bildern bezahlen) durchführen konnte. Als die Republik 2015/2016 das 30jährige Bestehen des Museums Picasso feierte, beging sie zugleich den Triumph der Erbschaftsteuer über die fehlende Nachlassplanung des Künstlergenies, denn für die Bilder des Meisters hatte sie keinen Franc ausgeben müssen.
Fehlende Steuerkenntnisse können die beste Planung ruinieren
Durch eine professionelle Nachlassplanung, die immer auch die steuerliche Seite vorausschauend mit bedenkt, lassen sich solche unfreiwilligen Beglückungen des Staates auf ein absolut notwendiges Minimum reduzieren. So haben wir an anderer z.B. Stelle die Möglichkeiten des deutschen Stiftungsrechts dargestellt, und die Stiftungsrechte anderer europäischer Staaten bieten ihre eigenen Möglichkeiten. Nicht aber beispielsweise das spanische Recht: Hier müssen erbende Stiftungen den vollen Körperschaftsteuersatz zahlen, nur Privatpersonen zahlen Erbschaftsteuer.
Spaniens Provinzen und ihre Erbrechte
Wie schon in der Einführung am Fall Pablo Picasso dargestellt, erwirbt ein Spanier bei seiner Geburt die Gebietszugehörigkeit seiner Eltern und behält diese ein Leben lang, wenn er nicht mindestens zehn Jahre in einer anderen autonomen Region lebt (und gegenüber den Behörden nicht ausdrücklich und förmlich widerspricht) oder mindestens zwei Jahre in einer anderen autonomen Region lebt und die Änderung der Gebietszugehörigkeit beantragt.
Aragonien, die Balearen, das Baskenland, Galicien, Katalonien und Navarra haben eigene Erbrechte, die anderen Provinzen teilen sich in das gemeinspanische Erbrecht des spanischen Zivilgesetzbuches.
Weil die Erbrechte (und ebenso die Erbschaftsteuern) sich von Provinz zu Provinz stark unterscheiden, versuchen Spanier nicht selten, hier zu „tricksen“ und in den Genuss eines anderen Erbrechts zu kommen. Das kann legitime Gründe haben, die beispielsweise einen Umzug im fortgeschrittenen Lebensalter durchaus zu rechtfertigen vermögen:
Einige Provinzen anerkennen das gemeinschaftliche Testament von Ehegatten und den Erbvertrag, andere nicht. Wer also beispielsweise das in Deutschland häufigste Modell des „Berliner Testaments“ zur Anwendung bringen will, bei dem ein Ehegatte jeweils den anderen als Erbe einsetzt und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben, der muss sich darüber informieren, in welcher Provinz ein solches Testament möglich ist und in welcher nicht.
Die Provinzen kennen auch unterschiedlich hohe Noterbrechte, die von ihrem und ihrer Wirkungsweise über das deutsche Pflichtteilsrecht deutlich hinausgehen. In manchen Fällen kann die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts von Vorteil sein, weil das deutsche Pflichtteilsrecht niedriger und schwächer ist. Und bei größeren Vermögen kommt auch eine Gestaltung in Betracht, die z.B. einen Lebensabend in London vorsieht: Das englische Recht muss, auch wenn das Land vielleicht bald nicht mehr zur EU gehört, von den Gerichten in Madrid und Berlin gleichermaßen angewandt werden, wenn der Erblasser dort seinen letzten Wohnsitz hatte. Dann lassen sich spanische Noterbrechte und deutsche Pflichtteilsrechte insgesamt aushebeln, was etwa bei inkompetenten oder missliebigen Erben, bei denen indes keine Erbunwürdigkeit vorliegt, der letzte Fluchtweg sein kann.
Eine Rechtswahl ist – in Grenzen – bei der Gestaltung von Testamenten und Erbverträgen möglich, so dass auch hier strategische Vergleiche anzustellen sind: Was funktioniert wo? Was funktioniert wo nicht? Wie wirkt sich eine Rechtswahl auf einzelne Nachlassgegenstände aus? Kann hinsichtlich Liegenschaften in mehreren Staaten oder in mehreren Provinzen eine internationale oder interlokale Nachlassspaltung eintreten, also: Können mehrere verschiedene Erbrechte auf einen Erbfall anwendbar sein? Passen die erbrechtlich gefundenen Ergebnisse auch steuerrechtlich, nämlich in Bezug auf anfallende Erbschaft- und Schenkungsteuer?
Wer hier nicht fachlich versiert und langjährig erfahren ist, muss die nahezu unüberschaubare Vielfalt an Möglichkeiten und Wegen als Bedrohung empfinden – wer sich dagegen seit vielen Jahren in mehreren Erbrechtsordnungen bewegt wie ein Fisch im Wasser, der wird die in der Vielfalt liegende Herausforderung gerne annehmen und bewältigen.
Entscheidend ist hier – wie stets – der Blick „über den Tellerrand“. Was mit dem Recht der einen Provinz nicht geht, geht vielleicht mit dem der anderen. Was mit spanischem Erbrecht nicht geht, geht vielleicht mit deutschem. Was in beiden Rechtsordnungen nicht geht, lässt sich vielleicht durch ein Drittrecht – etwa englisches Recht – bewältigen.
Aus dem deutschen Erbrecht sind als Formen der Verfügung von Todes wegen Testamente, gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge bekannt. Gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge werden aber vom gemeinspanischen Erbrecht nicht anerkannt, sondern nur in wenigen Provinzen ermöglicht. Bei der Anwendbarkeit spanischen Rechts kann eine Verfügung von Todes wegen, die nach deutschem Recht unproblematisch wirksam wäre, unzulässig und nichtig sein.
Gegenseite Anerkennung nur bei Formfragen hilfreich
Das „Haager Testamentsformabkommen“ von 1961 hilft hier entgegen anderslautender Berichte nicht weiter, da sich Deutschland und Spanien zwar gegenseitig die Anerkennung letztwilliger Verfügungen zugesagt haben, die spanischen Gerichte aber gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge kurzerhand nicht als Formfrage beurteilen, sondern als Verstoß gegen das inhaltliche Verbot, sich lebzeitig erbrechtlich zu binden. Damit können deutsche gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge bei Anwendbarkeit spanischen Erbrechts scheitern, auch wenn bei ihrer Errichtung vor dem deutschen Notar noch niemand an Auswanderung oder an den Erwerb einer ausländischen Staatsbürgerschaft gedacht hat.
Auch die Formen, in denen Testamente wirksam errichtet werden können, unterscheiden sich in Deutschland, in Spanien allgemein und in den spanischen Provinzen erheblich: Zwar gibt es dort wie hier ein offenes Testament, das vor dem Notar durch Erklärung, und ein geschlossenes Testament, das vor dem Notar durch Übergabe einer verschlossenen Erklärung errichtet wird. Aber je nach Standort können gar keine oder bis zu sieben Zeugen erforderlich sein, wobei sich bei dem eigenhändigen, nicht-notariellen Testament, das in Deutschland weit verbreitet ist, die Formgebote am weitesten auseinander entwickelt haben.
Form oder Inhalt?
Auch scheinbar inhaltliche Bestandteile können in einer anderen Rechtsordnung zu zwingenden Formgeboten und Wirksamkeitserfordernissen werden: Nach deutschem Recht ist es ein Gebot der Vernunft, ein Testament auch zu datieren, doch bleibt das Testament auch bei vergessenem oder unleserlichem Datum wirksam, sich der Errichtungszeitpunkt anderweitig feststellen lässt und somit außer Streit gestellt werden kann, dass es sich um das jüngste Testament handelt. Anders im spanischen Recht: Hier ist die Datierung Wirksamkeitserfordernis und eine Erklärung mit einem unleserlichen Datum kann die Nichtigkeit der gesamten Verfügung von Todes wegen nach sich ziehen.
Unterschiedliche Wertung von Inhalten
Nicht zu unterschätzen sind auch die ganz unterschiedlichen Vorstellungen spanischer und deutscher Richter von der öffentlichen Ordnung. Danach bestimmt sich, was als gerade noch akzeptabel gilt, wenn eine ausländische Rechtsordnung zur Anwendung kommt. Dies kann Themen aus dem jeweils anderen Recht betreffen – wie Pflichtteile bzw. Noterbrechte oder die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit erbvertraglicher Bindungen – oder auch Themen aus einer Drittrechtsordnung, so z. B. bei Familien muslimischen Glaubens, wo Institute wie Morgengabe und Abendgabe oder das Verursacherprinzip bei Scheidungen eine Rolle spielen, die sie in Spanien und Deutschland längst eingebüßt haben. Hier dürfen nicht unbesehen die Wertungen der eigenen Rechtsordnung übertragen werden, sondern es müssen Prognosen für das Bewertungs- und Entscheidungsverhalten der Gerichte an allen Orten erstellt werden, wo ein Testament zur Ausführung kommen soll. Im Zweifel ist das überall, wo Liegenschaften oder Bankkonten vorhanden sind.
Gesetzliche Erbfolge in Spanien
Findet spanisches Erbrecht des spanischen Zivilgesetzbuches und nicht ein Provinzialrecht Anwendung, so gilt in Grundzügen folgendes:
Erben können natürliche Personen (Menschen) und juristische Personen (Körperschaften wie eine GmbH oder eine Stiftung).
Erbunfähigkeit
Es gibt im spanischen Erbrecht zahlreiche Erbunfähigkeitstatbestände, die sich vom deutschen Recht z. T. erheblich unterscheiden, und die auf historische Ursachen zurückzuführen sind. So gibt es ausführlichste Regelungen zur Erbunfähigkeit von Priestern und deren Angehörigen sowie kirchlichen Gemeinden und Anstalten, die in einem lange von der katholischen Kirche dominierten Land Missbräuchen vorbeugen sollen. Dies kann aber dazu führen, dass gemeinnützige Absichten eines Deutschen, der in Spanien verstirbt und testamentarisch eine kirchliche Einrichtung bedenken wollte, vereitelt werden, weil die Kirche im Einzelfall schon gesetzlich erbunfähig sein kann.
Erbunwürdigkeit wegen Unzuverlässigkeit?
Außer der Erbunfähigkeit kennt auch das spanische Recht die Erbunwürdigkeit. Dabei knüpft das spanische Recht nicht wie das deutsche Recht an eine Verurteilung an, sondern an zahlreiche, auch nicht immer ganz klare Voraussetzungen. Diese müssen nur für sich genommen vorliegen, um die Erbunwürdigkeit einer Person auszulösen. So kann z.B. die verspätete Ablieferung eines Testaments an den Richter als Unterdrückung der Existenz eines Testaments interpretiert werden und – auch dann, wenn sie aus Nachlässigkeit geschehen ist – den Verlust aller Erbansprüche bei dem „Unterdrücker“ auslösen.
Erbfolge nach Linien
Anders als das deutsche Erbrecht, das sich nach Ordnungen vollzieht, die einander ausschließen (erste Ordnung: Kinder des Erblassers, zweite Ordnung: seine Eltern und deren Abkömmlinge, dritte Ordnung: seine Großeltern und deren Kinder usw.), vollzieht sich das spanische Erbrecht in Linien. Die absteigende Linie, also die Kinder des Erblassers und deren Kinder, ist mit der deutschen ersten Ordnung weitgehend deckungsgleich, während die aufsteigende Linie, also Eltern, Geschwister usw., alle weiteren Ordnungen des deutschen Erbrechts in einer einzigen Gruppe erfasst werden. Innerhalb der Ordnungen wird dann nach Verwandtschaftsgrad differenziert.
Ehegattenerbrecht
Wie im deutschen Recht hat auch im spanischen Recht der überlebende Ehegatte ein Erbrecht, das sich – im Gegensatz zum deutschen Pflichtteilsrecht – in einem echten Noterbrecht fortsetzt und daher nicht komplett ausgeschlossen werden kann (wobei hier je nach Provinzialrecht Unterschiede bestehen können).
Eine Einschränkung ergibt sich aber für den Fall, dass Abkömmlinge oder Vorfahren des Erblassers vorhanden sind: In diesem Fall beschränkt sich das Ehegattenerbrecht auf ein gesetzliches Nießbrauchsrecht am Nachlass. Dieses kann – muss aber nicht – abgelöst werden. Die Eintragung in einem spanischen Erbzeugnis ist obligatorisch, die Eintragung in einem deutschen Erbschein hingegen umstritten, und mit dem Europäischen Nachlasszeugnis bestehen ein Jahr nach dessen Inkrafttreten noch wenig praktische Erfahrungen. Bereits die Rechtsdurchsetzung des überlebenden Ehegatten gegenüber den anderen Erben ist also im deutsch-spanischen Erbfall ein Feld mit viel Konfliktpotential und hohen praktischen Anforderungen an das anwaltliche Geschick.
Unklare Regelungen bei Trennung und Scheidung
Das Ehegattenerbrecht fällt weg, wenn die Ehegatten sich scheiden lassen oder getrennt leben. Im Gegensatz zum deutschen Recht, das mit Scheidung oder Scheidungsantrag eindeutig ist, birgt das spanische Recht eine Vielzahl von Ambivalenzen, wie das Fallbeispiel Picasso zeigt: Das Künstlergenie lebte oft mit zwei oder drei Frauen gleichzeitig in einer Ehe und daneben geführten Liebschaften zusammen, ohne dass sich anhand von Tagebüchern, Briefen oder Bildern der Frauen genau sagen lässt, wo die eine Beziehung endet und die andere anfängt. Nach spanischen Erbrecht führt aber bereits die rein tatsächlich gelebte Trennung ohne Scheidung oder Scheidungsantrag zum Wegfall des Ehegattenerbrechts. In der bunten und lebenslustigen Gesellschaft der Gegenwart eine „butterweiche“ Regelung, aus der sich im Rechtsstreit möglicherweise streitentscheidend viel machen lässt.
Da sich im Ehegattenerbrecht erbrechtliche Regelungen (für welche die Europäische Erbrechtsverordnung) und eherechtliche Regelungen (für welche z. T. spanisches bzw. deutsches Recht gelten kann) überschneiden, bieten sich hier wohl die meisten Gestaltungsmöglichkeiten und Konfliktfelder.
Pflichtteil bzw. Noterbrecht
Der spanische Noterbteil ist im Gegensatz zum deutschen Pflichtteil nicht nur ein Anspruch gegen die Erben, sondern ein echtes Erbrecht, das nicht ausgeschlossen werden kann. (je nach Provinz können sich hier aber Besonderheiten ergeben).
Grundsätzlich kann nach (gemein)spanischem Recht der Erblasser nur über ⅓ des Nachlasses frei verfügen, ⅓ steht den Noterben immer zu, ein weiteres ⅓ den Noterben, wenn sie, wie meistens, Abkömmlinge des Erblassers sind.
Über das gesamte Vermögen kann der spanische Erblasser nur dann verfügen, wenn es keine Noterben gibt, er also ohne Ehegatten und ohne nahe Angehörige verstirbt.
Bei Überschreitung der Verfügungsbefugnis durch den Erblasser kann der Noterbe gegen die bedachten Erben eine Herabsetzungsklage erheben, die erfahrungsgemäß zu jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen kann.
Es empfiehlt sich daher, frühzeitig in der Erbschaftsplanung auch folgende Fragen zu untersuchen: Kann auf den Nachlass das Recht einer Provinz Anwendung finden, das eine Beschränkung oder gar den Ausschluss des Noterbrechts zulässt?
Wenn nein: Kann auf den Nachlass das deutsche Pflichtteilsrecht Anwendung finden? Das deutsche Pflichtteilsrecht ist schwächer ist als das Noterbrecht, auch, weil es eine Abschmelzung von Schenkungen nach 10 Jahren auf Null zulässt und damit erlaubt, das Pflichtteilsrecht legal hundertprozentig auszuhebeln.
Pflichtteilsrecht und Noterbrecht ausschließen
Wenn auch dies nicht möglich scheint oder ungenügend ist: Soll der Nachlass durch Wegzug nach London oder Gibraltar dem englischen Recht unterstellt werden, um Noterbrechte nach spanischem Recht und Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach deutschem Recht ganz auszuschließen?
Der erste Ansatzpunkt jeder erbrechtlichen Gestaltung ist immer, wie das zu vererbende Vermögen möglichst groß gehalten und möglichst frei vererbt werden kann. Da die spanischen Noterbrechte mit bis zu ⅔ des Nachlasses (in Provinzialrechten sogar bis zu 8/10 des Nachlasses) die Freiheit des Erblassers, so zu verfügen, wie er will, geradezu stranguliert, muss die erste Frage immer dahin gehen, wie Noterbenrechte ausgehebelt werden können.
Anders als im deutschen Recht, in dem Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge mit und ohne Entgelt zum Standard gehören, lässt Spanien eine solche vertragliche Regelung zu Lebzeiten nicht zu. Jeder Noterbrechtsverzicht ist unwirksam. Daher kann hier nichts einvernehmlich geregelt werden, es sei denn, man entkommt der Anwendbarkeit des spanischen Erbrechts.
Natürlich stehen wir Ihnen auch bei rechtlichen Fragen zu anderen Ländern, zum Beispiel dem Erbrecht in China gerne zur Verfügung.
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