Testamente des Jahres 2020
Wir stellen Ihnen drei der buchstäblich „merk-würdigsten“ Testamente vor, die im Jahr 2020 die Gerichte beschäftigt haben:
1. Nicht zu früh reinen Tisch machen – die Tischplatte als Testament? (AG Köln Beschluss vom 25.05.2020 – 30 VI 92/20).
Wahrscheinlich hat man selten so leicht alle Hinterbliebenen plus eine Schar Juristen an einen Tisch bekommen: Mit Filzstift hatte ein kinderloser unverheirateter Mann auf seinem heimischen Holztisch eine nicht mit ihm verwandte Dame zu seiner alleinigen Erbin eingesetzt, ordentlich datiert auf den 22.4.2017. Hoffnungsfroh beantragte diese entsprechend einen Erbschein. Blöd nur, dass keine Unterschrift auf dem Möbelstück prangte, weder auf der Platte noch auf einem der Tischbeine. Denn das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt nicht vor, dass man sein Testament eigenhändig gerade zu Papier bringen muss, es darf auch z. B. eine Holzplatte sein, die mit eigener Hand durch den letzten Willen „verziert“ wird. Aber ohne Unterschrift nützt alles nichts: Kein wirksames Testament! Die nicht verwandte Dame geht leer aus. Es sei denn, die gesetzlichen Erben, die der Unwirksamkeit des Tischplattentestamentes wegen an ihre Stelle treten, überlassen ihr als Andenken an den Erblasser den Tisch, über den sie sich sonst sowieso nur im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft streiten müssten.
2. Mein (vielleicht) letzter Wille – der eingerissene Notizzettel (OLG München, Beschluss vom 28.1.2020 – 31 Wx229/19, 31 Wx 230/19, 31 Wx 231/19)
Der Erblasser in diesem Falle benutzte häufig und gern allerlei Arten Papier, um Testamente zu errichten. Er hatte weder Frau noch Kind, aber dafür mehrere Geschwister. Meistens setzte er in seinen im Todeszeitpunkt noch vorhandenen Testamenten eine Schwester als Alleinerbin ein. Am 7.5.2015 jedoch schrieb er im Krankenhaus schön ordentlich „Mein Testament“ auf die Rückseite eines Notizzettels der Gemeinde Pfaffenhofen im Format 10*7 cm und bedachte in dem alle Geschwister zu gleichen Teilen. Dann starb er am 10.6.2015 im Krankenhaus. Damit war der Notizzettel als das jüngste Testament auch das entscheidende für die Erbenbestimmung. Sehr zum Missfallen der Schwester, die eine Art „Generalangriff“ auf das Testament startete. Neben der im Ergebnis erfolglosen Behauptung, das Testament sei nicht vom Erblasser eigenhändig ge- und unterschrieben worden, stritt sie ab, dass der Erblasser überhaupt ein Testament machen wollte. Auf so einem minderwertigen Papier doch nicht! Und selbst wenn: Der Zettel war an der Oberkante in der Mitte eingerissen, also hatte der Erblasser das Testament, wäre es je eins gewesen, eh widerrufen!
Sehr sorgfältig und ausführlich erklärt das OLG München in seiner Entscheidung, wie Juristen herausfinden, ob ein Erblasser wirklich „Testierwillen“ und „Widerrufswillen“ hatte, wenn ein an sich formwirksames Testament vorliegt. Denn dann wird grundsätzlich Testierwillen vermutet.
Pech für die Schwester: Ihr sparsamer Bruder hatte auch die vorherigen Testamente auf ungewöhnlichem Papier geschrieben. Unter anderem eines auf einer Seite eines Werbeblocks des „Pfaffenhofener Kuriers“ im A5 Format und eines auf der Rückseite eines ursprünglich im Format A4 verfassten Arztbriefes mit abgerissener oberer Hälfte und einem Kaffeefleck. Dass er ausgerechnet im Krankenhaus für sein Testament ein anderes Papier benutzt hätte als die ihm dort zur Verfügung stehenden und von ihm fleißig auch sonst genutzten Notizzettel, hielt das Gericht für nicht wahrscheinlich und das Testament insgesamt für wirksam errichtet. Da die Schwester aber darauf hinweist, dass der Erblasser durch Einreißen des Zettels einen Widerruf erklärt haben könnte, stellt das Gericht intensive Überlegungen auch zu diesem Punkt an. Die Schwester erbt nämlich dann doch allein, wenn das wirksame Testament tatsächlich noch vom Erblasser widerrufen wurde. Die Schwester als Nutznießerin des Widerrufs muss jedoch den Widerrufswillen nachweisen, Zweifel gehen zu ihren Lasten. Und so erklärt ihr das Gericht, dass es bei diesem zur Testamentsurkunde „geadelten“ mickrigen Papier schwieriger erscheine, den Zettel nur einzureißen als ihn ganz durchzureißen, was unzweifelhaft einen Widerruf durch Vernichtung der Urkunde dargestellt hätte, WENN man denn dann auch noch Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, dass es der Erblasser selber und nicht nur versehentlich gewesen wäre, der die Urkunde ein- bzw. zerrissen hätte … Sie erkennen am Konjunktiv: Das Gericht hielt viel für möglich, nichts für erwiesen – wieder Pech für die Schwester. Ob sich jetzt der sparsame Erblasser im Billigsarg herumdreht, weil er es sich doch eigentlich noch anders vorgestellt hatte – das wird wohl kein Gericht prüfen.
3. Fälschungssicher bis zum Schluss? – Das Tattoo auf dem Oberschenkel
Der letzte Fall ist sicher der ungewöhnlichste, höchstrichterlich noch nicht entschieden. Für den Ausgang des noch laufenden Nachlassverfahrens werden zwar keine Wetten angenommen, aber trefflich streiten und diskutieren kann man ihn allemale:
Dem Bestatter fällt kurz vor der Einäscherung auf, dass der Erblasser auf der Innenseite seines Oberschenkels eine Tätowierung aufweist, in welcher eine bestimmte Kirchengemeinde als Alleinerbin eingesetzt wird. Die Einäscherung wird vom Nachlassgericht verboten, der Sachverhalt so weit aufgeklärt, als der Tätowierer bestätigt, dass der Erblasser persönlich mit seiner rechten Hand und Lidstift den Text auf den Oberschenkel geschrieben hat, dann der Tätowierer selber nur die technischen Voraussetzungen durch Halten des Geräts geschaffen habe und der Erblasser selbst für die Linienführung gesorgt habe und damit auch selbst den von ihm handgeschriebenen Text nachgestochen habe.
Sie haben aus 1 und 2 gelernt: Die eigene Haut muss nicht dünn wie Pergamentpapier sein, um als „Urkundenmaterial“ für ein Testament zu taugen. Die Ernsthaftigkeit des Testierwillens dürfte auch nur schwer zu bezweifeln sein. Aber ob das eigenhändige Nachstechen eines eigenhändig vorgeschriebenen Textes mit fremder Unterstützung dem eigenhändigen Schreiben gleichkommt? Argumente finden sich sowohl dafür als auch dagegen. Dafür spricht, dass der BGH bereits die Gültigkeit eines mit Kohlepapier durchgepausten Testaments bejaht hat. Dagegen spricht, dass beim Durchpausen die flüssige eigenhändige Schreibbewegung des Erblassers bleibt, bei der Führung der Tätowiermaschine aber diese so geführt wird, dass einzelne Partikel in die Haut gestochen werden und nicht die fließende Schreibbewegung erhalten bleibt, die die Merkmale der jeweils eigenen Handschrift des Erblassers ausmacht. Deren Unverwechselbarkeit ist Grundlage der Schutzidee der Formvorschrift, die sicherstellen soll, dass ausgerechnet der letzte Wille nicht so einfach gefälscht oder auch nur völlig übereilt festgelegt werden kann.
Vielleicht wird die gerichtliche Entscheidung zu diesem Fall ja zu DER Erbrechts-Entscheidung des Jahres 2021.
Was lehrt uns das?
Wenn Sie Ihr Testament machen wollen: Sparen Sie nicht am Papier! Sparen Sie am besten überhaupt nicht an der falschen Stelle, sondern holen sich Rechtsrat. Eigene Kreativität ist schön, hat aber keinen Platz in der formellen Testamentsgestaltung. Wir haben das Wissen, mit Ihnen gemeinsam aus Ihren Ideen eine Nachlassplanung zu entwickeln und diese in juristisch sichere Form zu bringen. Und nicht zuletzt: Mit uns sparen Sie im Ergebnis doch – nämlich Steuern! Bei rechtzeitiger entsprechend optimierter Gestaltung können wir die Steuerbelastung für den Fall des Falles deutlich reduzieren, teils sogar auf Null.
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